Fotoseminar TSG München
16 Stunden Theorie und drei Stunden Praxis im Hallenbad. Das von der TSG München organisierte Fotoseminar (01.11. – 03.11.19) ermöglichte eine intensive Beschäftigung mit den technischen und künstlerischen Aspekten der Unterwasserfotografie. Je nach Vorkenntnissen konnten die Brevets „Tarieren mit der Kamera“, „Fotograf 1“ und „Fotograf 2“ erworben werden.
„Die größte Herausforderung war, ein Termin zu finden, an dem die zwei Fachreferenten Zeit haben“, spielt Christian Pietschmann, Vorstand der TSG München, den Organisationsaufwand herunter. Doch wer an dem Seminar teilgenommen hat, glaubt das sofort.
Denn die Ausrichtung der Veranstaltung, von der Technik im Clubraum über das vereinseigene Catering bis zum Aufbau des Parcours im Schwimmbad lief so reibungslos im Hintergrund, dass sich die 16 Teilnehmer ganz auf die Kameratechnik, den Bildaufbau und die Bearbeitung der Fotos konzentrieren konnten.
Mit Buchautor Reimund Hübner, Leiter der Sachabteilung „Visuelle Medien“ im BLTV und VDST-Fotoinstruktor Joachim Heil konnten zwei Referenten gewonnen werden, die die Unterwasserfotografie schon in analoger Zeit beherrschten. Das sichert einen Erfahrungsvorsprung, denn die physikalischen Herausforderungen unter Wasser haben sich nicht geändert. Wer analog fotografiert hat, weiß die Vorteile der digitalen Technik ungleich besser zu nutzen.
„Joachim und ich arbeiten schon länger im Team und ergänzen uns ganz gut. Joachim hat seine Schwerpunkte in der Bildbearbeitung, ich in der Fototechnik und Bildgestaltung“, sagt Hübner.
Das dreitägige Seminar gestattete den Referenten etwas tiefer in die Materie einzusteigen. Und so konnten Anfänger wie Fortgeschrittene profitieren. Frei nach Goethe: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“
Mag sein, dass es beispielsweise nicht nötig ist, die Blendenreihe mathematisch beschreiben zu können. Doch wer die Formel kennt, muss die Zahlenfolge 1, 1,4, 2, 2,8, 4, 5,6 u.s.w. nicht mehr auswendig lernen.
Beide Referenten legten großen Wert darauf, dass jedem guten Foto ein bewusster Gestaltungswille zugrunde liegt. Lieber ein einziges gut komponiertes Foto im richtigen Moment als viele Schnappschüsse während des Tauchgangs. Diese kreative Auseinandersetzung mit dem Motiv wird bei Fotokursen aller Art gerne vernachlässigt.
Zwar gibt es keine Gebrauchsanweisung für ein gutes Foto, doch die Erfolgsaussichten lassen sich deutlich erhöhen, wenn man ein paar Grundsätze befolgt. Zu ihnen gehört die Birkhoff’sche Regel, benannt nach dem amerikanischen Mathematiker Georg David Birkhoff (1884-1944).
Nach Studium zahlreicher Kunstwerke hat er eine Gleichung entwickelt, mit der sich das Maß an Schönheit beschreiben lässt: „Ästhetik ist Ordnung geteilt durch Komplexität.“ Ein Foto, das als ästhetisch empfunden wird, sollte demnach einen hohen Ordnungsgrad und eine geringe Komplexität aufweisen.
Ein hoher Grad an Ordnung kann z.B. durch eine symmetrische bzw. diagonale Anordnung der Bildelemente erzielt werden oder durch den „Goldenen Schnitt“. Geringe Komplexität wird beispielsweise durch eine geringe Zahl von Objekten oder Farben erreicht.
Daneben gibt es natürlich noch eine ganze Reihe von „Regeln“, die leichter umzusetzen sind: „Fische sollten von vorne fotografiert werden, ins Bild hineinschauen und genügend Platz zum Schwimmen haben“, erläutert Hübner anhand von Bildbeispielen mit entsprechender Wirkung auf den Betrachter.
„In unserem Kulturkreis werden die Bilder von links oben nach rechts unten gelesen.“ Der Blick des Betrachters bleibe rechts unten hängen. Wenn der Hintergrund an dieser Stelle unruhig sei, wirke sich dieser Eindruck auf das ganze Bild aus, so Hübner.
Dasselbe gelte für die Wirkung von Farben. Ein roter Fisch im rechten (unteren) Teil des Fotos mache das Bild aggressiver, als wenn derselbe Fisch links im Bild stehe. „Für die Unterwasserfotografie eignet sich das Hochformat besser als das Querformat, weil es beim Tauchen immer um Tiefe, d.h. um Oben und Unten geht.“
Was nicht bedeutet, dass die fotografische Herausforderung mit der Tiefe wachsen muss. Davon konnten sich die Teilnehmer im ein bis 1,8 Meter tiefen Schwimmbecken der Willy Brandt-Gesamtschule überzeugen. Frei schwebend, allenfalls mit einem Finger vom Boden abgestützt, galt es im Zweierteam mehrere Objekte eines Unterwasserparcours ins rechte Bild zu setzen. Darunter ein Plastik-Krebs, der an der Unterseite eines Schwimmbrettes befestigt war.
„Der Spezialkurs Tarieren mit der Kamera soll dazu beitragen, den Ruf fotografierender Taucher zu verbessern“, sagt Hübner. „Man sieht immer wieder Taucher, die auf dem Grund liegen. Das lehne ich grundsätzlich ab. Ich setze auch keine Tiere um oder füttere Fische an.“ Umweltgerecht Tauchen und Fotografieren sind eins.
Dr. Mathias Orgeldinger